Palästina
Bethlehem
Einen Tag wollten wir für einen Ausflug
nach Bethlehem nutzen und erkundigten uns am Vortag in der Touristinformation
am Jaffa-Tor nach Tagestouren. Die nette Dame empfahl uns, das Geld (wären 70
$ pro Person gewesen) nicht einem Reisebüro in den Rachen zu werfen, sondern
für 8 Shekel pro Nase mit dem Linienbus ab dem Damaskus-Tor zu fahren: "These
are our buses." Zum Verständnis: Das Bussystem in Jerusalem ist strikt
getrennt: Eine israelische Busgesellschaft ("Egged") bedient West-Jerusalem, eine
palästinensische Gesellschaft bedient Ost-Jerusalem und die Westbank. Und "our buses" waren
die grünen palästinensischen Busse.
Also ging es am nächsten Morgen vom
Busbahnhof an der Sultan Suleiman Street (Ecke Ha-Nevi'im Street) mit dem
Linienbus Nr. 231 (neue Nummern
seit Januar 2015) nach
Bethlehem. Der Bus war gut gefüllt, es waren außer uns nur noch zwei weitere
Touristen unter den Fahrgästen. Die Fahrt ging nicht auf kürzestem Wege
dorthin, sondern vorher drehte der Bus noch eine Runde u. a. durch Beit Jalah.
Man kann sehr schön erkennen, wie nahe die auf palästinensischem Gebiet
illegal errichteten israelischen Siedlungen an Bethlehem herangerückt sind.
Einen Kontrollpunkt passierten wir auf der Hinfahrt übrigens nicht.
Der Bus endete in der Hebron Road, von
der aus es noch ein schöner Fußmarsch z. B. zur Geburtskirche gewesen wäre.
Und so wollten wir mit dem Taxi fahren (es warteten etliche an der
Bushaltestelle), der Taxifahrer schlug uns eine Tour zu einigen biblischen
Stätten und zur Mauer, die Israel am Rande von Bethlehem errichtet hat, vor.
Da Ala'a, so hieß er, ein netter und sehr höflicher Typ und der Preis in Ordnung war, nahmen wir
das Angebot gern an.
Ala'a erzählte auch einiges von seiner
Familie und seinen 3 Kindern und dem Lebensalltag. Für ihn sei es
beispielsweise einfacher, nach Deutschland zu reisen als ins 9 km entfernte
Jerusalem. Verdienstmöglichkeiten gäbe es nur sehr wenige, etwa alles, was mit
Touristen zu tun hat, oder die Herstellung von Handwerksarbeiten als
Souvenirs. (Anm.: Die Hälfte der Einwohner in den palästinensischen Gebieten
lebt in extremer Armut.)
Hirtenfelder (Shepherds' Field
)
Die erste heilige Stätte war Shepherds'
Field, der Ort, an dem der Erzengel Gabriel Schafhirten die Geburt Jesu verkündete. Ja, auch als Atheist liest man sich dann
(wieder) in die
Geschichte des Neuen Testaments ein. Und hier ist, wie quasi überall an den
Stätten, an denen lt. Bibel etwas passierte, eine Kirche / Kapelle errichtet
worden.
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Hirtengrotte unter der Kapelle
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Geburtskirche (Church of
Nativity)
Die nächste Station war die
Geburtskirche. Von Ala'a bekamen wir den Tipp, uns nicht rechts in die lange
Warteschlange der Touristengruppen (aus religiösen und/oder fotographischen
Gründen ist fast jede/r der Meinung, dort für Gebet und/oder Foto niederknien
zu müssen) einzureihen, sondern uns - da wir nur zu zweit waren - linksherum
quasi durch den Ausgang an die (vermutliche) Geburtsstätte vorzuarbeiten. Und
mit etwas Rücksichtnahme und Geduld gelang dies auch.
Vorher musste man noch
in gebückter Haltung die Demutstür, den Eingang zur Kirche, bewältigen. Diese
wurde aber nicht deshalb so niedrig gestaltet, um die Eintretenden zu einem
Bückling zu zwingen, sondern damit die Türken, die irgendwann Bethlehem
erobert hatten, nicht mit ihren Pferden in die Kirche reiten und diese
entweihen konnten.
Eingang zur Kirche |
1,20 m hoch
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Mit etwas Geschick wird dieser
Ausgang
zum Eingang und erspart langes Warten
Dichtes Gedränge an der
Geburtsstätte
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Der Stern von Bethlehem...
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... an der Geburtsstelle
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Im Innern der Geburtskirche
In der Katharinenkirche
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Katharinenkirche
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Der Krippenplatz (Manger Square)
vor
der Geburtskirche mit der Omarmoschee
Die Milchgrotte (Milk
Grotto)
Nach einem Zwischenstopp in einem kleinen
Andenkenladen (man weiß, dass dies dazugehört) liefen wir die kurze Strecke zur
Milchgrotte. Hier soll sich die heilige Familie vor ihrer Flucht nach Ägypten
versteckt haben. Maria soll beim Stillen ein Tropfen Muttermilch auf den Boden
gefallen sein, der sich daraufhin weiß färbte. Die Grotte gilt zudem als
Wallfahrtsort für Paare, deren Kinderwunsch noch nicht erfüllt wurde...
Die Mauer (Seperation
Wall)
Ab 2002 errichtete Israel Sperranlagen
zwischen seinem Territorium und der Westbank. U. a. wurde Bethlehem durch eine
rund 18 km lange und 8-9 m hohe Sperrmauer nach Norden hin abgeriegelt. Auf der
anderen Seite der Mauer befindet sich übrigens auch palästinensisches Gebiet, in
dem sich aber israelische Siedlungen befinden. In diesen Siedlungen soll
übrigens größtenteils Einwanderer aus z. B. Osteuropa angesiedelt worden sein.
Diese Sperrmauer schränkt das Leben der Bewohner Bethlehems natürlich extrem ein
und ist auch eine Abschreckung für Touristen, was wiederum ein weiterer Schlag
gegen die wirtschaftliche Situation Bethlehems ist. Man lebt dort von dem
verbliebenen kleinen Rest
Tourismus (Restaurants, Hotels, Taxis, Handwerksarbeiten), wenige haben eine
Arbeitserlaubnis für Jerusalem.
An dieser Mauer findet man - wie seinerzeit auf der Westseite der Berliner Mauer
oder etwa in Belfast
oder Londonderry - viele Graffiti / Murals.
Über Mauern kann man fliegen...
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Dieses Bild beschreibt die
Situation in Israel und Palästina sehr, sehr treffend.
Gerade, weil ich selbst mal an
einer (fast) undurchlässigen
Grenze tätig war und
sich die eigene Sicht seitdem entwickelt hat, empfand ich diese Kulisse
deprimierend.
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Die Höhe
dieser Mauer ist nicht nur Schutz, sondern
stellt auch eine massive Demütigung
gegenüber denen
dar, die in ihrem Schatten leben müssen. |
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Tankstelle in Bethlehem an der
Mauer
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Dieses
eindrucksvolle Bild ist nicht direkt an der
Sperrmauer,
sondern (wenn ich es recht in Erinnerung
habe)
in der Hebron Road.
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Vollgestopft mit Fotos, Informationen und
Eindrücken traten wir die Rückreise nach Jerusalem an. Diesmal passierten wir
einen Kontrollpunkt. Alle Palästinenser stiegen aus, die anderen blieben im Bus
sitzen und wurden dort kontrolliert. Drei junge Männer durften nicht einreisen,
da offensichtlich ihre Papiere nicht in Ordnung waren.
Die Erlebnisse und Ansichten in Bethlehem
waren mindestens ebenso beeindruckend wie die berühmten religiösen Stätten
Jerusalems. Und die Gespräche mit dem Taxifahrer Ala'a über ihn, seine Familie und die
Gesamtsituation gaben einen kleinen Einblick in den Alltag der Leute. Klar ist - auch aus
historischer Sicht -, dass man mit trennenden Mauern keinen dauerhaften Frieden
findet.
Eine grundlegende Friedenslösung in dieser Region wird nur mit zwei
separaten und gleichberechtigten Staaten, Israel und Palästina, funktionieren.
Dies wird aber erst klappen, wenn beiderseits die "Tauben" anstatt die "Falken"
die Oberhand haben. Ala'a dazu: "Nicht die Religionen sind das Problem, sondern
die Politik."
Sollte jemand einen Ausflug nach Bethlehem planen und einen
seriösen Taxifahrer
benötigen, ich habe die e-Mail-Adresse von Ala'a und gebe sie gern weiter.
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(C) Uwe Kaiser, 2015
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