Fragt der
Volkspolizist auf der Straße: "Bürger, bitte weisen Sie sich aus?" -
DDR-Bürger: "Oh, darf
man das jetzt schon selbst machen?"
Die Ausweisschwemme war
für den gelernten DDR-Bürger gigantisch, da sich fast jeder als Mitglied in -zig
Massenorganisationen wiederfand. Manchmal erfolgte der Eintritt in eine
Massenorganisation auch nicht ganz freiwillig, sondern wurde einem mehr oder
weniger drastisch nahegelegt, wie ich während der letzten Schuljahre und beim
Studium feststellen konnte.
Da ich 2002 beim hochwasserbedingten Aufräumen auf die Raritäten meiner
Jugendzeit gestoßen bin, will ich nachfolgend meine Ausweiskarriere
darbieten. Zwischenzeitlich fällt mir immer wieder einmal ein amtliches
Dokument aus längst vergangenen Zeiten die Hände, was eigentlich kein
Ausweis ist, deshalb gibt es die Erweiterung "u.a. Dokumente".
Und dann gab es ja noch die Bestätigung,
dass man tatsächlich geboren worden war:
die Geburtsurkunde. |
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In der 1. Klasse wurden jeweils am 13. Dezember die meisten
Schüler als Jungpioniere in die Pionierorganisation "Ernst Thälmann"
aufgenommen und bekamen ihren
Jungpionierausweis. "Seid
bereit!" |
In
der Klasse 4 wurden die Jungpioniere dann Thälmann-Pioniere und bekamen
statt des blauen ein rotes Halstuch und natürlich den entsprechenden
Thälmannpionierausweis.
"Immer bereit!"
(Anm.: Der Aufkleber ist nicht original,
sondern wurde irgendwann von mir ca. 1976 draufgeklebt.) |
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Mit Beginn der 8. Klasse tauschte ich (und die meisten
Mitschüler) dann die Pionierbluse und Halstuch gegen das Blauhemd der
"Eff-De-Jott" (Freie Deutsche Jugend).
Einen ebenso blauen FDJ-Ausweis
gab es dazu.
Nun unterschied man sich endlich optisch von den "Kleinen" und konnte
in der Hofpause Schüleraufsicht machen. |
So
richtig stolz - weil erwachsen -, war man beim Erhalt des
Personalausweises.
Den gab es nicht erst mit 16, wie heute, sondern bereits mit 14 Jahren.
Jetzt konnte man an der Kinokasse beweisen, dass man zu recht in den P14-Film
gehen durfte.
Diesem Ausweis bin ich bis 1995 treu geblieben. Wobei er noch ein paar Jahre
mitgemacht hätte, immerhin ist/wra er noch bis 2008 gültig. Na ja, ich hebe ihn
vorsichtshalber mal auf... |
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Auf der EOS (= Erweiterte Oberschule;
hier ging es zum Abitur) durfte man dann Mitglied der "Gesellschaft für
Deutsch-Sowjetische Freundschaft" werden. Spätestens, als ich 1985 bei einer
nächtlichen Auseinandersetzung mit sowjetischen Staatsbürgern einen Schuh im Gesicht
hatte und tagelang mit geschwollenem Gesicht dutzende Fragen ("Hast du einen
Bonbon im Mund?") ertragen habe, habe ich am Nutzen der Beitragsmarken im
DSF-Ausweis gezweifelt.
Ich bin trotzdem nicht ausgetreten - ist doch standhaft, oder? |
Während der 4 Jahre EOS wurde man natürlich auch theoretisch
("Wehrkundeunterricht" - das war wirklich der letzte Mist!) und praktisch
(Wehrlager in Scheibe-Alsbach) vormilitärisch geschult. Für so etwas war die
"Gesellschaft für Sport und Technik" zuständig, also bekam ich als
frischgebackenes Mitglied den
GST-Ausweis,
und hoffte, dass sich die Beiträge wenigstens bei den "Fleppen" bezahlt machen
würden. |
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Mit 16 Jahren hielt ich endlich den lang ersehnten
Führerschein in der Hand - vorerst fürs Moped, ein Jahr später fürs Motorrad.
Anfangs war es noch ein graues Büchlein mit der Aufschrift "Fahrerlaubnis"
(habe ich vermutlich leider nicht mehr), Mitte der 80er Jahre wurde ein
Führerschein im internationalen Format daraus, den ich bei der Erweiterung
auf die "Autofleppen" erhielt.
Im grauen Führerschein lag immer ein Kärtchen, dass man am besten unbefleckt
hielt - die Stempelkarte. |
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Mit 18 Jahren stellte ich dann den Antrag, als Kandidat in
die Reihen der "Partei" (wie die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
überall nur genannt wurde) aufgenommen zu werden - bevor jemand nachfragt: aus
Überzeugung. |
So ein Parteieintritt funktionierte damals nicht so einfach wie
heute (Formular ausfüllen und fertig), sondern man musste 2 verdienstvolle
Genossinnen / Genossen als Bürgen beibringen. Und dann durfte man sich 1 Jahr als Kandidat bewähren
(und erhielt die SED-Kandidatenkarte),
bevor man vollwertiges Parteimitglied wurde. Damit die "Arbeiter- und Bauern-Partei" nicht von Intellektuellen
unterwandert wurde, nahm man mich als Schüler der 12. Klasse aus
statistischen Gründen als "Arbeiter" im VEB Barkas Frankenberg als Kandidat
auf. |
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Während meiner Armeezeit hatte ich die Kandidatenzeit
erfolgreich absolviert und wurde mit einem
vollwertigem
SED-Parteibuch
ausgestattet.
Viele waren spätestens 1989 von der Rendite des "roten Sparbuchs" (wie
es wegen der happigen Parteibeiträge oft genannt wurde) enttäuscht und die,
die aus Karrieregründen in der SED waren,
wechselten die Anlageform oder gar die Partei. |
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Mit dem Eintritt ins Berufsleben gab es den
Sozialversicherungsausweis. Alle
relevanten Angaben übersichtlich in einem Buch - so etwas hätte man heutzutage
gern.
Und man wurde Mitglied des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes - das war der Schirmherr des
gleichnamigen Fußballpokals -, bekam den
FDGB-Ausweis und konnte einmal im Jahr eine
Fahrpreisermäßigung für eine Zugfahrt in Anspruch nehmen. |
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Nach dem Abitur und dem zweimonatigen Zwischenspiel als
Werktätiger wartete mit dem 18monatigen "Ehrendienst" die verlorenste Zeit meines Lebens auf mich (Ja, man konnte auch
studieren, wenn man nicht 3 Jahre bei der Armee war! Ich habe allen
"Verlockungen" und Erpressungen widerstanden - nicht aus Überzeugung,
sondern weil mich die Armeezeit einfach ankotzte.) und ich musste
meinen Personalausweis gegen den
Wehrdienstausweis
eintauschen. |
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Und damit man mich im "Ernstfall" auch wiedergefunden
hätte, bekam ich noch einen Blechausweis - die
Erkennungsmarke.
Die Krönung des militärischen Unfugs: Da ich nach der Armeezeit ein Studium
beginnen würde, machte man mich bei meiner Entlassung zum "Uffz."... |
..., um mich anderthalb Jahre später während des 2.
Studienjahres nach 5 Wochen Reservistenausbildung in Seeligenstädt zum
Leutnant zu befördern (s. auch
hier). |
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P. S. Das mit der DDR
musste schiefgehen - wer so einen wie mich zum Offizier macht... |
Beim Studium rollte die nächste Ausweiswelle auf mich zu: Da
war zunächst der Studentenausweis,
mit dem man allerlei Vergünstigungen (u. a. bei der Deutschen Reichsbahn) in
Anspruch nehmen konnte. |
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Umgehend und völlig freiwillig beantragte ich den
Internationalen Studentenausweis,
damit ich mich auch im damals für mich befahrbaren teil der Welt als Student
ausweisen konnte. |
Mitglied im Deutschen Turn- und Sportbund wurde ich
natürlich auch und erweiterte meine Ausweissammlung um den
DTSB-Ausweis.
Wenn ich die ganzen Ausweise hätte immer bei mir tragen müssen... |
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Ich wollte im 1. Studienjahr die Prüfung als
Rettungsschwimmer ablegen. Voraussetzung: Mitgliedschaft im Deutschen Roten
Kreuz. Also eingetreten und mit dem
DRK-Ausweis den
"Rettungsschwimmer" gemacht. |
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Am Ende des 1. Studienjahres waren wir so geschult, dass wir
einen Gruppenleiterausweis
(re.)
erhielten, der Nachweis für unsere Fähigkeiten diente, in jedem Ferienlager
Unfug zu stiften. Und
natürlich bekamen wir als angehende Chemielehrer auch den
"Giftschein" (li.). |
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Obwohl viele der Mädchen immer grübelten (und sie grübeln
heute noch), wie herum denn nun der Stecker in die Steckdose gehört oder wo
der Schalter vom "Polylux" sei, gab es für jeden und jede (!) einen
"Nachweis der Vorführbefähigung"
für die gesamte hochwertige Bild- und Tontechnik an Schulen. |
Für Naive und DDR-Unerfahrene:
Schnell war man irgendwo eingetreten, nur mit dem Austreten ging es während des
Studiums nicht so einfach. Und wenn man schon längst wieder ausgetreten war
(DSF, GST) - am Ende des 5. Studienjahres wurden alle Mitgliedsbeiträge für die
5 Studienjahre nachträglich eingetrieben, eher gab es kein Zeugnis und kein
Diplom. Also haben wir alle zähneknirschend Beiträge nachgezahlt. |
Für junge Eheleute gab es einen zinslosen
Ehekredit in Höhe von
7000 Mark, der für die Ausstattung des Haushaltes verwendet werden sollte.
Das Geld gab es nicht bar auf die Hand, sondern beim Kauf von Kühlschrank,
Waschmaschine etc. wurde der Kreditbrief vorgelegt, alles eingetragen und
direkt mit der Sparkasse verrechnet. Bei der Geburt von Kindern wurden dem
Ehepaar 1000 Mark fürs erste und 2000 Mark (?) fürs zweite Kind erlassen;
beim dritten Kind wurde der Kredit vollständig erlassen. |
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Kein Ausweis, aber für den gelernten
DDR-Bürger wichtiger als jedes andere amtliche Dokument: die
Auto-Bestellung. Angesichts von Wartezeiten
länger als die Schulzeit bestellte man in jedem Fall erst einmal ein Auto.
Vorsichtshalber machte man für jeden Volljährigen in der Familie eine
Bestellung, notfalls konnte man eine auslieferungsreife Bestellung locker
für einen vierstelligen Betrag verkaufen. |
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Das wichtigste Dokument gab es spät, viel zu spät, denn die
Grenzen waren seit dem 9. November 1989 sowieso offen, so dass der
Reisepass der DDR
eigentlich ein nutzloses Papier war.
Außerdem ist meiner sowieso 1999
abgelaufen, da ich vergessen hatte, die Verlängerung zu beantragen.
Hoffentlich gibt das nicht irgendwann einmal Ärger... |
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Einen Vorgriff auf das kapitalistische Plastikgeld
leistete sich die DDR auch noch: Die Geldkarte. Vorteil: Die Geheimnummer
durfte man selbst wählen. Nachteil: Wenn man sie nutzen wollte, stand
garantiert eine richtige Schlange an einem der seltenen Geldautomaten. |
Einen für mich persönlich ganz wichtigen Ausweis bekam ich
kurz vor "Ladenschluss" (Oder wäre "Toresschluss" besser?) im Mai 1990:
den Abgeordnetenausweis,
der mich als Mitglied des Kreistages
Hainichen auswies. |
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Der
Ausweis, der neben dem Reisepass zu den begehrtesten
Ausweisen der DDR gehörte, beendete definitiv im Juni 1990 seine Karriere:
der Briefmarkensammlerausweis. |
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Viele Leute - ich nicht -
waren auch Mitglied in der "Konsum"-Genossenschaft, hatten den
Konsum-Ausweis und eine
Konsum-Mitgliedskarte und klebten
Konsum-Marken in ihr Rückvergütungsheft. |
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Einen
Nothilfepass (links) gibt es heute auch, ebenso wie den
Kinderausweis (rechts). Nur sahen beide
Dokumente etwas anders aus als heute. |
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Berufsgruppen, die nicht in die Kategorien
"Arbeiter" oder "Bauern" gehörten, wurden in der DDR höher besteuert als die
"normalen" Werktätigen, obwohl ihre Gehälter trotz eines oft höheren Berufs-
oder Bildungsabschlusses i. d. R. niedriger waren als die Löhne der Arbeiter
und Bauern (auch so einer der Grundfehler der DDR). Wenigstens kam man auf
die Idee, die Rentenansprüche mit einer "Intelligenzrente" aufzubessern. Der
Anspruch auf diese Zusatzrente - die übrigens im Rahmen des Anschlusses der
DDR an die BRD verschwand - wurde durch eine
Urkunde dokumentiert. |
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Bei meinem einjährigen Aufenthalt in Mexiko
durfte ich eine Bürokratie kennenlernen, die alles bisher erlebte überbot.
Als wichtiges Dokument zum Nachweis für Einreise-, Aufenthalts- und
Arbeitserlaubnis erhielten wir das "FM3". |
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